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Interview: Ausbilden mit “pfiv”

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Udo Wuchner – Lehrer und Vorstandsmitglied von “pfiv”.
Foto: BB

Karlsruhe (pom/les). Udo Wuchner ist einer der verantwortlichen Lehrer und Vorstandsmitgliedes des Projektes “Partner für Ausbilden im Verbund” kurz “pfiv” genannt. Die Initiative wurde 1998 gegründet und hat sich seit dem verändert. Wie sehr und vor allem was genau “pfiv” ist und an wen es sich richtet verriet Wuchner im Interview mit Boulevard Baden.

Für was steht „pfiv“ und was ist das für ein Projekt?

Udo Wuchner: “pfiv” ist eine Ausbildungsinitiaitve, die von Lehrern der Ludwig-Erhard-Schule in Karlsruhe gegründet wurde. Dier Abküzung steht für  “partner für ausbilden im verbund”. Die Initiative organisiert Lehrstellen im Verbund, zusammen mit Firmen aus dem Stadt- und Landkreis Karlsruhe, die dann Ausbildungspartner werden.

An wen richtet sich das Projekt?

Wuchner: Einmal an junge Leute, die eine Lehrstelle suchen, und dabei schlechte Karten haben: schlechte Zeugnisse, Ausbildungs- oder Studienabbrecher, auch ältere Bewerber, die bisher noch nichts auf die Reihe gekriegt haben.
Zum anderen richtet sich das Projekt an Firmen, die nicht die volle Ausbildungszeit ausbilden wollen oder nicht alle Ausbildungsinhalte anbieten können. Auf jeden Fall richtet sich das Projekt an Unternehmen, die soziale Verantwortung auch für diese Menschen übernehmen möchten und daran glauben, dass jeder eine zweite oder dritte Chance verdient. Diesen Vertrauensvorschuss – das hat sich in den letzten Jahren immer wieder gezeigt-  haben die Azubis durch Motivation und Fleiss zurückgegeben.

Für welche Ausbildungsberufe ist es ausgerichtet?

Wuchner: Grundsätzlich für alle kaufmännischen Ausbildungsberufe. In der Vergangenheit wurde aber überwiegend im Ausbildungsberuf “Bürokaufmann/-frau” ausgebildet. Das liegt daran, dass dieser Ausbildungsberuf branchenübergreifend ausgebildet werden kann. So ist es leichter einen Verbund aus zwei bis vier Firmen zu organisieren.

Welche Vorteile bietet das Projekt für Auszubildende und welche für den Ausbildungsbetrieb?

Wuchner: Die Azubis bekommen für die gesamte Dauer einen “pfiv-Paten” zur Seite gestellt. Dieser kümmert sich regelmäßig um ihn, führt Beratungsgespräche, zusammen mit dem Ausbilder vor Ort und gibt dem Azubis Tipps für Verhalten und Lernen am Arbeitsplatz. Der Pate schlichtet auch mal Streit, der sonst meist einseitig zu Lasten eines der Beteiligten gelöst werden würde. Klemmts in der Berufsschule, organisiert der Pate auch Nachhilfe.

Die Ausbildungsbetriebe konzentrieren sich nur aufs Beibringen. Alle verwaltungsmäßigen Arbeiten übernimmt pfiv für die Betriebe. Dazu gehört zum Beispiel das Erstellen eines Aubildungsplanes, die regelmäßigen Lohn- und Gehaltsabrechnungen sowie der – zum Teil sehr aufwändige -  Schriftverkehr mit der Sozialversicherung, und noch vieles mehr. Praktisch übernimmt “pfiv” das gesamte Ausbildungsmanagement bis zum Abschluss der Ausbildung, und zwar ehrenamtlich. Für diese Entlastung sind etliche Firmen bereit,  jungen Menschen eine Perspektive zu geben.

Wie funktioniert das Projekt – wie gelangt der Auszubildende zum Betrieb?

Wuchner: Alle am Verbund beteligten Firmen zahlen an pfiv eine Umlage – natürlich nur solange, wie der Azubi dort ist. Diese Umlage ist so berechnet, dass dafür die Ausbildungsvergütung sowie die Sozialnebenkosten von pfiv abgerechnet werden kann.

Die “Verbundlehrstellen” müssen natürlich in Fleissarbeit akquiriert werden. Dazu suchen die Lehrer in der freien Zeit Firmen auf, um das Konzept vorzustellen und zum Mitmachen zu gewinnen. Erst wenn eine Lehrstelle so für die gesamte Ausbildungszeit fertig geplant ist, wird sie der Agentur für Arbeit gemeldet. Die Bewerbungen lassen dann nicht lange auf sich warten. Zeitweise  erhält pfiv auch durch Lehrerkollegen Bewerbungen von Schülern.

Finden Sie das jetzige Angebot für junge Menschen mit weniger guten Qualifikationen zu schwach?

Wuchner: Ja. Es gibt eine große Zahl von jungen Leuten, die nicht mehr so richtig an sich glauben. Viele haben einen wahren Bewerbungsmarathon hinter sich, ohne jemals zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen zu sein. In den Bewerbungsgesprächen mit “pfiv” bekennen sie sich meist offen zu ihren Defiziten, wollen aber unbedingt eine letzte Chance. Und zusammen mit unserer Betreuung haben es in der Vergangenheit fast alle geschaffft, wir hatten in den letzen Jahren ganz wenige Abbrecher. Natürlich können auch wir nicht jedem eine Lehrstelle anbieten. In erster Linie wird die Entscheidung ja gemeinsam mit den Verbundpartnern getroffen. Und da ist ganz wichtig, wie sehr der Bewerber die Chance nutzen will.

Könnte es einen Nachteil darstellen, dass Azubis sich auf ein neues Arbeitsumfeld einstellen müssen?

Wuchner: Ja, das ist nicht ganz einfach. Als wir 1998 mit unserer Initiative begannen, bestand der erste Verbund aus einem Autohaus, einer Finanzgesellschaft, einem Bestattungsunternehmen und einer Computerfirma. Ganz unterschiedliche Büroarbeitsabläufe, ganz unterschiedliche Chefs. Hier wird von den Azubis eine besondere Flexibilität verlangt, die aber den Azubis auch Spaß macht.


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